You are reading

Elke Krasny. Stadt und Frauen. Eine andere Topographie von Wien, 2008

Elke Krasny. Stadt und Frauen. Eine andere Topographie von Wien, Wien: Metro Verlag, 2008

Stadtforschung ist ein feministisches Anliegen. Stadtforschung kann zu neuen feministischen Forschungspraxen und Forschungsmethoden führen, wie im Fall des Buchs Stadt und Frauen. Eine andere Topographie von Wien. Im Fall dieser Untersuchung, begann die Stadtforschung im Alltag, entlang der Wege, die Frauen in der Stadt zurücklegen, durch die sie ihre Stadt täglich in Bewegung versetzen, wenn sie einkaufen gehen, wenn sie Kinder in die Schule begleiten, wenn sie Freund*innen zur Ärzt*in begleiten, wenn sie zur Arbeit gehen, wenn sie spazieren gehen. Zwischen 2004 und 2005 hat Elke Krasny 20 in Wien lebende Frauen auf einem ihrer Alltagswege begleitet. Die von Krasny entwickelte Methode des Narrativen Urbanismus, des Mit-Gehens, Zu-Hörens und urbanes Wissen durch die Wahrnehmungen, Erfahrungen und Erzählungen von einer andere Person in solch einem Eins-zu-Eins Forschungsformat kennen zu lernen, war der erste Schritt in der Erarbeitung von Stadt und Frauen. Eine andere Topographie von Wien. Nach dem Kartografieren der 20 gegangenen Alltagswege und der Niederschrift des urbanen Alltagswissens, das die 20 Frauen entlang ihres jeweiligen Weges mitgeteilt hatten, verwendete Elke Krasny diese 20 Routen als feministischen Auftrag, historische Stadtforschung zu machen und entlang genau dieser Routen durch Wien den Geschichten von Frauen nachzugehen. In den Jahren 2005 und 2006 betrieb Elke Krasny feministische Stadtgeschichtsforschung. Wer hat entlang dieser 20 Wege im 19. oder 20. Jahrhundert in Wien gelebt, gearbeitet, demonstriert, gestreikt, studiert, gefeiert, sich bewegt, und Spuren hinterlassen, die erforschter sind aber als unsichtbar und daher inexistent gelten. Diese Forschungen an Hand von Archivmaterialien, Tagebüchern, Zeitungen und anderen Quellen und Zugängen, wie literarischen Zeugnissen oder Forschungsgesprächen, führten dazu, dass insgesamt über 800 Frauen entlang dieser Wege in der Geschichte verortet werden könnten. Geschichte ist nicht nur aus der Perspektive der Zeit zu erschließen, sondern aus der Perspektive von Räumen, Raumnutzungen und topografischer Verortung. Dadurch kann ein feministisches Stadtgedächtnis entstehen, Stadtgeschichte aus feministischen, queer feministischen Perspektiven erschlossen und im Bewusstsein gehalten werden. Der nächste Forschungsschritt bestand darin, diesen historischen Frauenfiguren, Arbeiterinnen, Dichterinnen, Aktivistinnen, Physikerinnen, Komponistinnen, Widerstandskämpferinnen, Tänzerinnen, Malerinnen, Historikerinnen, Literaturwissenschaftlerinnen und vieles andere mehr, in den Sammlungen der Wienbibliothek im Rathaus nachzugehen. Dieses feministische Mapping der Sammlungen untersuchte die Bestände, die Manuskripte, Bücher, Fotografien, Zeitungsartikel, Plakate, Noten, um herauszufinden, wie diese wissenschaftliche Bibliothek der Stadt Wien, die seit dem 19. Jahrhundert das Wissen der Stadt sammelt, die intellektuelle und stadtpolitische Produktion von Frauen gesammelt hat. Alle konzeptuelle Forschungsschritte zusammengenommen, waren die Grundlage für das Verfassen des Buchs Stadt und Frauen. Eine andere Topographie von Wien, das 20 Wege zum Nach-Lesen und Nach-Gehen beinhaltet. Die aktuellen STadtperspektiven von Frauen aus dem 21. Jahrhundert sind verbunden mit den Kurzbiografien und Informationen zu den historischen Frauenfiguren, mit denen sie über den über die Zeit hinweg geteilten und gemeinsamen Raum des Urbanen verbunden sind. Die Sammlungen der Wienbibliothek iim Rathaus sind mit Abbildungen von Buchcovers, Fotografien, wie Porträtfotos, Zeitungsausschnitten, Versammlungsaufrufen, Plakaten von Demonstrationen oder Ausstellungsankündigungen, um hier einige Beispiele zu geben, präsent und mit den Wegen durch die Stadt verschränkt. Stadt und Frauen. Eine andere Topographie von Wien betreibt feministische Stadt-Geschichts-Forschung im Gehen und ruft die von Frauen produzierte und durch die Bewegungen von Frauen mit-bestimmte Stadt ins Gedächtnis und holt diese in die Gegenwart.